Musik aus Schwankungen des Herz-Rhythmus

Herzmusik-Bildchen3Der Mensch macht Musik, aber Musik macht auch etwas mit dem Menschen. Die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Musik lassen sich mit Hilfe der Herzratenvariabilität sowohl aufzeigen als auch therapeutisch nutzen. Der Herzschlag reagiert auf Musik, aber es geht auch andersherum: Er “komponiert” Musik.

Klänge und Musik können beim Menschen eine innere Harmonie und Ordnung herstellen. Um zu klären, was da genau passiert, habe ich mir Bernd Heiler zu Hilfe geholt. Er ist Heilpraktiker für Psychotherapie und hat eine Praxis für integrale Therapie in München. Seit vielen Jahren beschäftigt sich er schon mit Herzratenvariabilität (HRV) und Biofeedback.

Die Wirkung der Musik auf den Körper

Die Bedeutung der Musik für den Menschen spiegelt sich in vielen Redewendungen wider: Musik beschwingt, Musik gibt den Rhythmus (bei dem jeder mit muss), Musik reißt uns mit – oder wir kommen aus dem Takt. An unseren Mitmenschen kann uns Taktlosigkeit oder ein falscher Ton stören.

Die Erkenntnis, dass Klänge und Musik den Menschen positiv beeinflussen können, ist nicht neu. Schon seit Urzeiten wird Musik in verschiedenen Kulturen eingesetzt, um Körper und Seele in Einklang zu bringen. Wahrscheinlich haben Menschen schon eine Art Musik gemacht, bevor sich die Sprache entwickelte.

Mit Musik wurden Götter angebetet, bevor es in den Kampf ging. Sie erklang, um Kontakt zu den Ahnen aufzunehmen oder wurde natürlich auch gespielt, um Kranke zu heilen. Im Wesentlichen wurde mit Musik schon immer Stimmung ausgedrückt und Stimmung erzeugt.

Unsere Vorfahren folgten noch ihrem Gespür für den therapeutischen Gebrauch von Musik. Das aus ihrer Intuition und Erfahrung stammende Wissen wurde mittlerweile in klinischen Experimenten wissenschaftlich bestätigt.

Heute weiß man um die Wirkung, die Musik auslösen kann. “Es gibt Studien zur Senkung des Blutdrucks, Verringerung der Stresshormone und Verbesserung der Schlafqualität. Aber auch Schmerzen, Burn-out-Symptome und Stimmungstiefs lassen sich mit Musik reduzieren”, erklärt Bernd Heiler.

Mensch und Musik im Gleichklang

“Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem – die Heilung eine musikalische Auflösung”, wusste schon Novalis. Musik erzeugt bestimmte Schallmuster, die die Atmung, den Herzschlag, den Blutdruck und sogar den Muskeltonus sowie die Körperhaltung über das Gehör und auch über die Haut beeinflussen können. “Mensch und Musik schwingen, teilweise sogar im gleichen Frequenzbereich und in einem ähnlichen Rhythmus”, ergänzt Bernd Heiler.

“Wie alles im Körper schwingt, lässt sich am leichtesten am Herzen erklären”, erläutert Bernd Heiler. “Es schlägt niemals ganz regelmäßig, sondern variiert um einen Mittelwert. Mal sind die Abstände zwischen den einzelnen Herzschlägen etwas länger, mal etwas kürzer. Insbesondere in Erholungsphasen lässt sich dieses Phänomen der HRV beobachten. Heutzutage lässt es sich auch relativ leicht messtechnisch dokumentieren. Das Herz ist weitaus mehr, als eine Blutpumpe. Es ist der Dirigent eines Orchesters, das unzählige Rhythmen im Körper zu einer ‘vegetativen’ Ordnung zusammenfinden lassen kann, um gesund zu bleiben.”

Das Herz verrät, was dem Körper gut tut

Das Herz besitzt etwa 40.000 Neuronen und kommuniziert über sie auf verschiedene Weise mit dem menschlichen Gehirn und dem übrigen Körper. Das ist der Grund, warum eine Messung des Herzschlags die Wirkung der Musik auf den Körper zeigen kann. “Das Herz fungiert quasi als Beziehungsorgan zu uns selbst und zu unserer Umwelt. Am Herzschlag kann man ablesen, wie sich etwas auf gesamten Organismus auswirkt. Deshalb ist die HRV ein gutes Mittel, um zu schauen, wie etwas auf den Körper wirkt und was ihm gut tut.”

Der Unterschied von klassischer Musik und Heavy Metal

Nach allem was bis jetzt bekannt ist, besitzt klassische Musik die größte Heilkraft. Eine besonders gute Wirkung haben die Werte von Komponisten wie z. B. Bach, Mozart, Haydn oder Beethoven. Der symmetrische Aufbau ihrer Werke und der nahezu völlige Verzicht auf dissonante Klänge scheinen besser auf Körper und Seele zu wirken als Musikrichtungen mit Dissonanzen und chaotischen Kompositionen.

Es gibt einige Studien, die mit der HRV die Wirkung verschiedener Musikrichtungen untersucht haben. Sehr interessant sind beispielsweise Vergleiche zwischen klassischer Musik und Heavy Metal, wie z. B. in der Studie Acute Auditory Stimulation with Different Styles of Music Influences Cardiac Autonomic Regulation in Men. “Der Extremvergleich der Musikrichtungen verdeutlich die Auswirkungen auf das vegetativen Nervensystems (VNS) und warum sich mit klassischer Musik Heilungseffekte erzielen lassen”, so Bernd Heiler.

Beim Hören von Heavy Metal-Musik finden sich in einigen Studien Hinweise, dass sich die generelle Aktivität des VNS verringert. Insbesondere unter dem Einfluss von “Bang-Bang-Musik” kommt es beim Parasympathikus zu einer Abnahme seiner Aktivität. Bei klassischer Musik deuten einige Werte daraufhin, dass der Einfluss des Sympathikus abnimmt und der des Parasympathikus zunimmt.

Argumente gegen klassische Musik

Wegen der wissenschaftlich bestätigten Wirkung auf das VNS befindet sich in der musikalischen Apotheke hauptsächlich klassische Musik. “Es gibt Musik-Empfehlungen gegen Ängste, depressive Verstimmungen, Herzbeschwerden, zur Stärkung des Immunsystems, für ein besseres Gedächtnis, mehr Tatendrang und gesunderen Schlaf”, führt Bernd Heiler aus.

Kritiker könnten an dieser Stelle anführen, dass Musik Geschmacksache sei. Nicht alle Menschen hören gerne klassische Musik. Deren heilsame Wirkung könnte bei Abneigung ausbleiben. Auch könnte es sich als hinderlich herausstellen, wenn einzelne Musikstücke mit positiven oder negativen Erinnerungen verbunden werden. Für Bernd Heiler lässt sich das Problem ganz einfach umgehen, nämlich mit der eigenen Musik.

Mit der HRV Musik machen

“Mit der HRV kann man nicht nur die Musikwirkung auf das VNS nachweisen, sondern auch Musik gestalten. Mit Unterstützung einer speziellen Hard- und Software ist es möglich, die HRV in Klänge umzuwandeln. Die Umwandlung geschieht auf der Grundlage der RR-Intervalle. Die Aufteilung in verschiedene Segmente ermöglicht eine Zuordnung von Instrumenten oder auch Naturgeräuschen. Je nachdem wie lange ein RR-Intervall andauert, wird das ausgewählte Instrument oder Naturgeräusch angespielt, oder eben nicht. Auf Basis der Frequenzen eines jeden RR-Intervalls lässt sich dann auch die Tonhöhe berechnen.”

Der Mensch kann mit dem eigenen Herzschlag seine Musik komponieren. “Aus diesem Grund empfinden wir unsere eigene Herzmusik auch als so angenehm, da sie Ausdruck von uns selbst ist. Hört ein Mensch seine eigene Musik, so kann sich die vegetative Regulation über die Resonanz mit den Klängen in Einklang bringen”, beschreibt Bernd Heiler die Wirkung.

Reaktionen auf die eigene Herzmusik

Von Platon stammt das Zitat: “Musik und Rhythmus findet ihren Weg zu den geheimsten Plätzen der Seele”. Ganz ähnlich kann man sich Wirkung vorstellen, wenn man die Musik des eigenen Herzen zu hören bekommt. Bernd Heiler beschreibt die Reaktionen: “Interessant zu beobachten, ist, was passiert, wenn die Herzmusik in Echtzeit abgespielt wird, also keine ‘Nachvertonung’ von ausgezeichneten HRV-Daten. Häufig steigt der Stressindex (SI) erst einmal an, bis dann eine ‘Entladung’ im VNS geschieht. Der Psychologe Dr. Peter Levine beschreibt dieses Phänomen auch in seinen Büchern über Somatic Experiencing (Traumatherapie). Gerade in dieser Phase (wenn der SI ansteigt) können sich beim Klienten Emotionen zeigen, die sich über längere Zeit im Körper aufgestaut haben, ohne dass eine mögliche Retraumatisierung stattfindet.”

Man muss sich die Wirkung um ein Vielfaches größer vorstellen als bei einer herkömmlichen Entspannungsübung. Bernd Heiler sagt dazu: “Ich behaupte, es passiert weitaus mehr als nur Entspannung. Es geht vor allem darum, mit sich selbst wieder in Kontakt und Resonanz zu kommen. Die Herzmusik vergleiche ich häufig zum besseren Verständnis mit einem Katalysator.”

Ein Erklärungsversuch, wie die Herzmusik wirkt

Mit dem Metronom-Versuch versucht Bernd Heiler zu erklären, was im Körper beim Hören der Herzmusik geschieht: “Zu Beginn schlagen die Metronome nicht synchron. Jedes schwingt wie ein unabhängiges Pendel – sie sind nicht gekoppelt. Sobald sie alle auf einer mitschwingenden Grundlage stehen, erfahren sie eine Synchronizität und gleichen ihre Rhythmen als ein verbundenes Schwingungssystem aneinander an. Die Herzmusik ist für mich der Katalysator, der für Harmonie und Ausgeglichenheit sorgen kann.”

Mein Fazit

Aus eigener, wenn auch bislang nur einmaliger Erfahrung kann ich bestätigen, dass eine Entspannungssitzung mit Herzmusik sehr wohltuend ist. Aber ich war froh, dass mich ein Therapeut dabei begleitete, weil die Herzmusik zunächst irritierend war und wie ein spezielles Biofeedback wirkt. Sobald wie möglich möchte ich wieder Herzmusik machen.

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